Ende Februar 2025 verabschieden sich Balz Koller und Angelina Schaffner nach drei Jahren als Technisches Leiterpaar in Otélé. Zum Abschied haben wir ihnen ein paar Fragen gestellt. Das Bild zeigt die beiden mit ihren zwei Malinois UELI und DIXIE.
Motivation
Wie seid ihr dazu gekommen, für drei Jahre als technisches Leiterpaar in Kamerun tätig zu sein?
Nach über 20-jähriger intensiver Selbständigkeit suchten wir vor der Pensionierung eine neue Herausforderung in einem anderen Arbeitsumfeld, wo unsere vielseitigen Kenntnisse gefragt waren.
Berufliche Erfahrungen
Was waren eure Hauptaufgaben als technisches Leiterpaar?
Die Führung und Weiterbildung der technischen Equipe mit 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dies in den Bereichen Brunnenbau, Beton-Elementproduktion, Unterhalt der umfangreichen Infrastruktur inkl. Strassenunterhalt sowie Elektro- und Wasserversorgung. Zudem waren wir verantwortlich für die Unterkünfte unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie von Besucherinnen und Besuchern verantwortlich und für die Archivierung von Fotodokumentationen und Protokolle.
Welche Herausforderungen habt ihr in eurer Arbeit erlebt, und wie seid ihr damit umgegangen?
Eine von vielen Herausforderungen ist das Finden von versierten, zuverlässigen Fachkräften. Diese Herausforderung lösen wir, indem wir unsere eigenen Leute für ihre Aufgaben selbst ausbilden. Dies betrifft alle Bereiche, auch im administrativen. Es fehlt das Erfolgsmodell des dualen Bildungssystems der Schweiz.
Gibt es Unterschiede in der Arbeitsweise zwischen der Schweiz und Kamerun? Wenn ja, wie seid ihr damit zurechtgekommen?
Die Menschen in Kamerun leben im hier und jetzt, gegeben durch die Selbstverständlichkeit, dass Leben und Tod sehr nah beieinander liegen. Dies prägt ihre Kultur und wird von uns entsprechend respektiert. Die Arbeitsmoral und Verlässlichkeit entsprechen nicht den Schweizer Vorstellungen, dafür erfährt man in Kamerun den Grundsatz von gelebter Work-live-balance.
Kulturelle und persönliche Erfahrungen
Welche Rolle spielte die französische Sprache in eurem Alltag und bei der Arbeit? Habt ihr lokale Sprachen gelernt?
Nebst den 250 lokalen Sprachen wird in Kamerun im westlichen anglofonen Teil Englisch, ansonsten überall die Nationalsprache Französisch gesprochen. Die französische Sprache ist somit Hauptbestandteil im Zusammenleben mit den Menschen und um den Job überhaupt ausführen zu können. Dies war für uns zu Arbeitsbeginn eine Herausforderung, sprichwörtlich Fitnesstraining für unsere Hirnzellen. Unsere lokale Sprache beschränkte sich auf «guten Tag» und «wie geht’s?».
Wie hat sich das Leben in Kamerun von eurem bisherigen Alltag unterschieden?
Wir waren uns von der Selbständigkeit her gewohnt, flexibel auf Unvorhergesehenes zu reagieren. Hier erleben wir täglich oder gar stündlich unvorhersehbare Situationen. Die Unpünktlichkeit der Kameruner forderte uns zusätzlich speziell. In der Schweiz ist man sich gewohnt, Termine einzuhalten, hier sind es Stunden oder sogar Tage, die kurzfristig verschoben oder gar ausgelassen werden.
Konntet ihr als Paar von der gemeinsamen Erfahrung in Kamerun profitieren?
Wir haben bereits in der Schweiz im Alltag eng zusammengearbeitet. Dies kam uns hier entgegen, denn bei der Arbeit und Privat ist man aufeinander angewiesen. Die Möglichkeit der persönlichen Freiräume mitten im Busch, abseits der urbanen Zivilisation, ist begrenzt. Das heisst, unsere Beziehung hat den Stresstest erfolgreich bestanden, was unsere Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit beweist.
Rückkehr und Reflexion
Was nehmt ihr aus der Zeit in Kamerun für euch persönlich mit?
Das vertiefte Bewusstsein, dass wir in der Schweiz in allen Bereichen ein privilegiertes Leben haben. Dafür stört uns in der Schweiz etwas mehr die Wohlstandsverwahrlosung, die sich mit Themen und Problemen beschäftig, die gar keine sind.
Würdet ihr anderen Paaren empfehlen, eine ähnliche Erfahrung zu machen?
Alle können von einer solchen Erfahrung profitieren! Grundvoraussetzung ist, die Menschen zu lieben und offen sein für Neues.
Gibt es eine Anekdote oder ein Erlebnis, das ihr besonders gern erzählt?
Wir werden unsere Enkelkinder mit vielen Geschichten von Erlebtem in Bann ziehen. Erlebnis: Am Tag nach unserer Ankunft waren wir an einer Trauerfeier bei der der Leichnam wegen mangelnder Finanzen ohne Sarg, direkt aus einem Tuch ins Loch geworfen wurde. Die hohen Temperaturen hier trugen dazu bei, dass der Leichnam nicht nur sichtbar, sondern auch riechbar war.
Was wünscht ihr euch für die Zukunft Kameruns, basierend auf euren Eindrücken und Erfahrungen?
Das Land hat bezüglich Bodenschätze und Landwirtschaft viel mehr zu bieten als die Schweiz. Es ist dem Land zu wünschen, dass sich die politische Führung dahingehend entwickelt, dass der Korruption Einhalt geboten wird und die Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Entwicklung nicht weiter unterdrückt werden.
Wir bedanken uns für den riesengrossen Einsatz und die schöne Zusammenarbeit.
Stiftung St. Martin